Unterhaltung mit Haltung: Content zwischen Entertainment und gesellschaftlichem Impact

Auf dem OMR Festival durfte ich zahlreiche Eindrücke sammeln – doch ein Vortrag ist mir besonders im Kopf geblieben.

Letzte Woche waren wir mittendrin, statt nur dabei: Auf dem OMR Festival in Hamburg – einem der größten Digital-Events Europas – drehte sich zwei Tage lang alles um Innovation, Trends und natürlich jede Menge inspirierenden Content. Wir haben viel gesehen, viele Eindrücke gesammelt – aber ein Vortrag hat uns besonders beschäftigt und nachgewirkt.

Auf der Bühne saßen drei bekannte Gesichter aus der Social-Media-Welt: Comedienne und Human Rights Activist Enissa Amani, YouTuber und Streamer Sebastian Meyer aka rewinside und TikToker Levi Penell. Unter der Moderation von OMR-Editorin Tanja Karrasch sprachen sie darüber, warum Unterhaltung heute mehr braucht als nur gute Laune – nämlich klare Haltung, gerade in politisch aufgeheizten Zeiten. Denn Social Media ist längst mehr als nur Bühne für Entertainment – es ist Spiegel der Gesellschaft. Wer dort tagtäglich Inhalte erstellt und damit Millionen erreicht, trägt Verantwortung.

Ihr Thema traf einen Nerv: Als Content Creator, aber auch als Unternehmen in der Medienbranche, bewegen wir uns in einem Spannungsfeld zwischen Reichweite und Verantwortung. Und genau hier setzte der Talk an. Die drei berichteten offen von ihren persönlichen Erfahrungen: Wie ist es, sich öffentlich gegen rechte Hetze zu stellen? Klar Position zu beziehen? Und welche Folgen bringt das mit sich? Levi brachte es klar auf den Punkt: „Wer sich öffentlich äußert, hat auch eine Verantwortung. Ich bin in erster Linie Entertainer, aber man muss in dieser Rolle immer mitdenken, dass man auch eine Vorbildfunktion hat. Ich halte es für eine bürgerliche Pflicht, die Demokratie, in der man aufgewachsen ist, aufrecht zu erhalten.“

Levi berichtete, dass ein lang geplantes und fertigproduziertes TV-Projekt kurzerhand abgesagt wurde – weil er sich öffentlich gegen die AfD gestellt hatte. Auch Sponsorings platzten. Einige Marken hätten ihn als „zu politisch“ eingestuft und die Zusammenarbeit beendet. Doch statt sich zurückzunehmen, machte er weiter – und wurde belohnt: neue Kooperationspartner mit gleicher Haltung meldeten sich, ehrliche Partnerschaften entstanden. So beispielsweise eine Kampagne mit Tinder zum Thema „toxische Männlichkeit“ – „sehr fair vergütet“, wie Levi hervorhob.

Auch Enissa und Rewi betonten, wie wichtig Authentizität ist – gerade dann, wenn Gegenwind kommt. Denn wer wirklich für etwas steht, wird langfristig nicht nur als Creator oder Unternehmen, sondern auch als Mensch glaubwürdig. Die Community spürt, ob Engagement echt ist – und genau dieses Vertrauen ist die Basis für nachhaltige Wirkung.

Enissa sprach sehr offen über den inneren und äußeren Druck, sich politisch zu positionieren – oder es eben nicht zu tun. Gerade in der deutschen Comedy-Szene herrsche noch immer die Tendenz, lieber zu schweigen. „Mir wurde schon sehr früh in meiner Karriere geraten, keine Haltung zu zeigen. Das sei schlecht fürs Geschäft.“ Doch sie entschied sich anders – nicht zuletzt wegen ihrer iranischen Wurzeln und ihres Einsatzes für Minderheiten.

Sie berichtete, wie häufig sie Nachrichten von Menschen bekomme, die sich nicht trauen, ihre Stimme zu erheben – selbst im eigenen Familienkreis. Ihr Appell auf der Bühne: „Es kostet zwar Kraft, aber ich wünsche mir von allen mit unseren Privilegien, etwas Mut aufzubringen, denn das schafft große Wellen.“ Dass sich das langfristig auszahlt, zeigte sie am eigenen Beispiel: Trotz Kritik und Shitstorms bekommt sie heute große Werbedeals, gerade weil sie für etwas steht.

Auch Rewi – der eigentlich als Gaming-YouTuber groß wurde – sprach eindringlich über die Verantwortung, die mit Reichweite einhergeht. Gerade in Zeiten, in denen rechte Kräfte die Gesellschaft zunehmend spalten, sei es keine Option, neutral zu bleiben: „Ich bin als Content Creator zwar für Unterhaltung zuständig, habe aber auch einen Bildungsauftrag.“

Er machte klar, dass viele Brands sich bis heute schwer damit tun, mit politischen Creatorn zusammenzuarbeiten. Lieber sichere Werbebotschaften verbreiten als klare Kante zeigen. Doch für ihn ist Haltung kein „Nice-to-have“, sondern Pflicht: „Jede Person des öffentlichen Lebens sollte sich gegen Rassismus, Sexismus und Extremismus positionieren.“ Und das nicht nur einmal – sondern immer wieder.

Der Vortrag zeigte uns noch einmal eindrücklich, warum es sich lohnt, klare Werte zu haben – auch, wenn es mal unbequem wird. Wir wissen, wie groß die Reichweite von Content sein kann. Und genau deshalb ist es wichtig, diese Reichweite auch für gesellschaftlich relevante Themen zu nutzen. Haltung zeigt sich nicht nur in großen Statements, sondern oft auch im Kleinen: in Entscheidungen, in der Themenauswahl, in der Art, wie wir miteinander umgehen.

„Unterhaltung mit Haltung“ war nicht nur ein Programmpunkt auf dem OMR Festival – sondern ein Impuls, der hängenbleibt. Und ein starkes Zeichen dafür, dass Entertainment mehr sein kann als bloße Ablenkung. Nämlich eine Plattform für echten gesellschaftlichen Dialog.