Amber – Ein Mädchen verschwindet

Die dramatische vierteilige irische Serie „Amber – Ein Mädchen verschwindet“, die nach ihrer Ausstrahlung 2011 in Irland im Jahr 2014 erstmals in Deutschland gezeigt wurde, behandelt das unerwartete Verschwinden eines 14-jährigen Mädchens namens Amber Bailey (gespielt von Lauryn Canny) und die für ein Jahr fieberhafte polizeiliche Suche, die sich als vergeblich herausstellt.

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Die vier Episoden zeigen die erschütternde Geschichte des Mädchens aus der Perspektive unterschiedlicher Personen, die jeweils neue Informationen in die Geschichte bringen und den Zuschauer immer wieder aufs Neue fesseln. Die erste Folge widmet sich der komplett aufgelösten und deprimierten Mutter Sarah. Folge zwei beschreibt die Informationssuche der mit den Eltern befreundeten Reporterin, Maeve Flynn-Dunne (Justine Mitchell). Bei ihrer Suche stößt sie auf einen Häftling, der vorgibt, Ambers Aufenthaltsort zu kennen. Die dritte Episode bringt dem Zuschauer den illegalen Einwanderer Charlie (Dan Li) näher, der durch mehrere verzwickte Gegebenheiten an Ambers Telefon gelangt. Da es in seiner Situation gefährlich ist, mit den Behörden in Kontakt zu treten, entscheidet er sich erst nach längerem Abwägen dazu, Ambers frisch geschiedenen Eltern zu helfen. Die vierte und somit letzte Folge zeigt den Vater des Mädchens, Ben (David Murray), der in seiner Verzweiflung an den Gedanken des Wiedersehens seiner Tochter festhält. Schließlich stößt er im Internet auf eine Spur und glaubt, auf pornografischen Seiten die lang ersehnten Hinweise zu finden. Durch immer wiederkehrende Szenen und Momente aus anderen Sichtweisen, fühlt sich der Leser wie ein Teil der Geschichte, der das Mädchen in sicheren Händen wiedersehen möchte. Das Hauptaugenmerk der Geschichte ist nicht die Action, sondern die Glaubhaftigkeit der Charaktere und die psychischen Schmerzen derer, die den Verlust ertragen müssen.

Seinen Ursprung hat der Film in der traurigen Geschichte der neunjährigen Amber Rene Hagerman, die im Jahr 1996 entführt wurde, als sie in Arlington in Texas mit ihrem Fahrrad gefahren ist. Als ein Nachbar von dem Geschehen Kenntnis nahm, rief er die Polizei. Ambers Bruder Ricky informierte seine Mutter und Großeltern darüber, was passiert ist. In Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn, den Medien und dem FBI machte sich die Familie auf die Suche nach ihrer Tochter. Nach vier Tagen Suche fand ein Mann während eines Spazierganges mit seinem Hund ihren leblosen Körper in einem Entwässerungskanal. Ihr Mörder wurde nie gefunden, ihre Todesursache blieb ungeklärt.

Aufgrund dieser emotionalen Geschichte entstand der AMBER-Alarm, der in den USA eingeführt wurde und dort auf positive Reaktionen gestoßen ist. Der Fall der Amber Hagerman war einer der ersten Fälle in den USA, der die Mithilfe der beinahe gesamten Bevölkerung umfasste. Der Alarm stellt die schnellstmögliche Alarmierung der Masse in Fällen, die Ambers ähnlich sind, dar. Er erhöht die Chancen, das vermisste Kind zeitnah und unverletzt zurück zu ihr behütetes Zuhause zu bringen, da die ersten drei Stunden nach der Entführung laut Experten die wichtigsten seien. Alles, was man tun muss, um international bei der Aufklärung solcher Fälle zu helfen, ist die Registrierung mit der eigenen Handynummer. Sobald es sich mit Sicherheit um einen Fall für den AMBER-Alarm handelt, bekommt man eine SMS, sobald im Bereich der eigenen Postleitzahl ein Kind vermisst wird.

In Deutschland werden pro Jahr über 60.000 minderjährige Kinder vermisst. So spiegelt der Film eine sehr realistische Geschichte wider, die berührend und schockierend zugleich ist. Durch die vielen ungeklärten Fälle von Kindesmissbrauch oder sogar -mord ist es wichtig, die Bevölkerung aufzuklären und zu zeigen, wie schnell solche Vorfälle passieren können, was dem Regisseur Thaddeus O’Sullivan mit seinem Krimi-Thriller mehr als gelungen ist. Trotzdem stellt sich die Frage, wie effektiv ein AMBER-Alarm wirklich ist. Nur die wenigsten Vermisstenfälle erfüllen die Kriterien eines solchen Alarmes. Zuallererst muss sicher sein, dass eine Entführung vorliegt, die eine akute Gefahr für das Opfer darstellt. Gibt es also keine konkreteren Informationen über das Geschehen, ist unsicher, ob ein Alarm ausgerufen wird. Desweiteren ist die Verfilmung eines so dramatischen Falles zwar hilfreich zur Aufklärung der Bevölkerung, jedoch lässt es den Eltern Ambers kaum die Möglichkeit, sich je vom Schock über das Verschwinden und den Tod ihrer Tochter zu erholen. Sie werden immer wieder daran erinnert, was im frühen Kindesalter mit ihr geschehen ist, wie aussichtslos die Lage für sie war und welche Qualen sie erlitten haben, als ihnen klar geworden ist, dass sie ihr Kind nie wieder sehen werden. Letztendlich überwiegt in meinen Augen jedoch die Wichtigkeit, die Bevölkerung aufzuklären, auch wenn dies in diesem Fall mit schockierenden Bildern und mitreißenden Szenen erfolgt.